von Charlotte Roscher-Wohlgemuth – Februar 2023
Alles begann vor über 11 Jahren in einem winzigen fenster- und stromlosen Kellerabteil einer Freiberger Studentenwohnung. Nur mit Laubsäge und Bohrmaschine entstanden dort die ersten Holzarbeiten. 2013 bekam ich zu Weihnachten Kevins ersten selbstgefertigten Schwibbogen. „Primitiv gemacht“, sagt Kevin heute. Doch diese Krippenszene – jede Figur einzeln gesägt, geschliffen und liebevoll mit Hand bemalt – ist alles andere als primitiv. Sie war der Grundstein für alle weiteren Schwibbögen, die Kevin über die Jahre gemacht hat. An ihm ist er gewachsen, hat stundenlang im Keller herumexperimentiert, Neues und Modernes probiert, Altes wertgeschätzt und sein laienhaftes Wissen erweitert. Heute stellt er Schwibbögen einer anderen Qualität her. Jeder ist ein Unikat und trägt Kevins Handschrift. Mich beeindruckt dabei besonders sein malerisches Talent. Inzwischen hat Kevin sogar ein Kleingewerbe und schon Aufträge für persönlich Schwibbögen bearbeitet.
Bei einer Weihnachtsfeier im Freundeskreis entstand vor 9 Jahren die Idee, einen von Kevins Schwibbögen als Preis eines Gewinnspiels zu nehmen. Zwölf Leute nahmen daran teil, 10Euro kostete der Einsatz. Über die Jahre weitete sich die Aktion aus: Die Teilnehmerzahl stieg von Jahr zu Jahr, Mund-zu-Mund-Propaganda funktionierte, Teilnehmerkarten wurden als Weihnachtsgeschenke verwendet. 2022 war bisher der Rekord: 237 Anmeldungen. Von der ersten Aktion bis heute eine Steigerung von 1875%. Für Kevin stand von Anfang an fest: Das Geld möchte er nicht behalten, sondern spenden. Der freiwillige Teilnahmebetrag ist immer noch 10Euro. Jedes Jahr überlegt sich Kevin neu, welche Projekte ihm wichtig sind und mit dem Geld unterstützen will. Aufgrund unseres Freiwilligensdienstes 2017/18 in Ecuador sind wir seit ein paar Jahren Mitglieder im Verein educatío – Jardín del Edén. Daher fiel die Wahl auch bei der letzten Aktion im Dezember 2022 u.a. wieder darauf. Des Weiteren wurde das Pixel Sozialprojekt Erfurt unterstützt. Sie leisten wertvolle Arbeit zum Thema Chancengleichheit von Kindern, soziale Stärkung von Familien und Hoffnung für Stadtteile im Brennpunkt. 186 Teilnehmerkarten konnte Kevin ausstellen, 835Euro Teilnahmespenden gingen davon bei Educatío ein. Die Siegerin konnte sich über Kevins Meisterwerk aus dem heimischen Keller freuen. Nach Bergbau-, Winterwald- und Weihnachtsmarktmotiven, zeigt es nach 9 Jahren wieder die Krippenszene. Gleiche Geschichte, anders künstlerisch umgesetzt: Josef, wie er zärtlich das Jesuskind wiegt; Maria, die ihnen andächtig zuschaut; Hirten und Könige sind in der Ferne schon erkennbar.
Danke Kevin für deinen Einsatz und deine Zeit für wertvolle Projekte!
PS: Auch im Advent 2023 wird wieder eine Schwibbogen-Aktion stattfinden. Für Infos bzw. den Newsletter kann man sich unter schwibbogerei@gmail.com melden.
von Anita und Roberto (gekürzt)
Vom 17. März bis zum 25. Mai waren die Bewohner des Kinderheims in strenger Quarantäne. Nur zwei Personen, Roberto Altamirano, der Direktor und sein Neffe durften einmal pro Woche das Heim verlassen, um Lebensmittel einzukaufen. Dies war schwierig, weil die meisten Läden und die Märkte geschlossen waren. Wo es etwas zu kaufen gab, bildeten sich lange Schlangen, die Preise waren hoch.
Da auch alle Bildungseinrichtungen geschlossen waren – sie sollen erst nach
Weihnachten wieder öffnen – mussten wir über das Internet versuchen den Kontakt mit den Lehrern aufrecht zu erhalten. Da aber die Kinder und Jugendlichen des Heims ganz verschiedene Schulen und Klassen mit unterschiedlichen Stundenplänen besuchen und wir nicht ausreichend viele Computer besitzen, war dies nur beschränkt möglich. Wir haben deshalb innerhalb des Heimes eigene Klassen gebildet und sie nach unsern Kräften unterrichtet.
Um die Ansteckungsgefahr zu verringern, wurde ein Hygieneplan erstellt mit dem Einsatz von traditioneller Naturmedizin (wie Radieschensirup, Zwiebeln und Knoblauch oder Tees aus Kamille und Zitronenverbene). Der Verzehr von rotem Fleisch und Milchprodukten wurde vermieden. Drei Mal am Tag wurden in den Häuser Eucalyptusessenz zerstäubt und die Böden und Oberflächen desinfiziert.
Besondere Angst hatten wir um zwei Kinder, die vor zwei Jahren mit Lungenproblemen ins Heim gekommen waren. Bis jetzt haben sie glücklicherweise alles überstanden.
Nachdem am 25. Mai die strengen Vorschriften teilweise aufgehoben wurden, war auch die Lebensmittelversorgung wieder einfacher. Unser Vorbeugeprogramm haben wir weitergeführt. Trotzdem hatten wir im Heim neun leichte Coronafälle (sechs Erwachsene und drei Kinder). Sie wurden sofort isoliert und sind inzwischen voll genesen.
Da die Kinder jetzt 24 Stunden im Heim leben, mussten wir neben der Unterstützung beim Lernen weitere Aktivitäten organisieren: Wir bildeten Gruppen, die kochen, weben, malen, Steine künstlerisch behauen, Musik machen, tanzen, Sport treiben. Seit der teilweisen Öffnung können wir auch wieder Spaziergänge machen, um dem „Gefängnis“ zu entkommen.
Die Wirtschaftskrise hat dazu geführt, dass die Regierung die Zuschüsse für Lebensmittel fünf Monate, für Löhne zwei Monate einfach gestrichen hat. Wir sind trotzdem guten Mutes die Krise zu überstehen und danken allen Spendern für die finanzielle Unterstützung. Das motiviert uns weiterzumachen.
von Martin, im Projekt von Ende Oktober 2021 – Anfang Januar 2022
Auf einmal steht man also da, vor einer Gruppe von Schülern. Gemeinsam sollen wir Englisch lernen. Es sind anfangs viele Verschiedenheiten und Eindrücke von Kultur und Menschen. Auch wir sind eine Gruppe die sich unterscheidet, aber ein gemeinsames Ziel verfolgt.
Die Zeit hier war sicherlich geprägt von Herausforderungen.
Allem voran das Lernen einer neuen Sprache.
In meiner ersten Woche sind hier noch Ferien.
Ich habe das Privileg, diese Woche bei Rocio zu wohnen und dabei besondere Erfahrungen zu sammeln. Man wird hier selbstverständlich, herzlich, familiär aufgenommen und lernt jeden Tag dazu, aus verschiedensten Bereichen. Ich kann hier eine sehr gute Beziehung zu Rocio und deren Familie aufbauen. Gleichsam zu ihrer Schwester Alexita die sich im Projekt um die Verpflegung und die Betreuung kümmert. Zudem wird hier eine Woche in meinem Umfeld nur Spanisch gesprochen und gleichzeitig Rücksicht darauf genommen, dass ich anfangs nur sehr einfache und langsame Sätze verstehen kann. Dadurch, dass es hier letztlich keine andere Möglichkeit gibt als auf Spanisch zu kommunizieren, bekommt dieser Schritt enorme Wichtigkeit für alles weitere. Nach einigen wenigen Online-Stunden und unzähligen Vokabeln ist es mir dann nach knapp einer Woche möglich, das erste Mal eine fast vollständige, grammatikalisch sicherlich verheerende, längere Konversation zu führen. Zwei Wochen nach meiner Ankunft kann ich tatsächlich großteils an Gesprächen teilnehmen, wobei ich bis zum Ende meiner Zeit hier jeden Tag weitere wichtige Vokabeln dazulerne.
Zu Beginn der Zeit in Chaka Wasi, lernt man auf einmal viele eigene, neue Persönlichkeiten kennen. Das war für mich sicherlich nicht nur einfach, da man die eigene nur teilweise ausdrücken kann, wenn einem die passenden, gewohnten Vokabeln im richtigen Moment fehlen. Man muss sich einfinden in einer Gruppe die untereinander vertraut ist, sich schon Jahre kennt und auch ein wenig verunsichert wirkt von dem neuen Gesicht.
Nach einigen Tagen wird diese Herausforderung dann zu einer besonderen Erfahrung, wenn man sich täglich besser mit seinem neuen Umfeld versteht und man immer weiter mit großer Freude in den Alltag der Menschen hier eingegliedert wird.
Die Tage hier sind nicht wirklich geregelt, trotzdem gibt es feste Bestandteile.
Täglich gab es einen Englischunterricht von mir. „Lo esencial de inglés“ heißt die Überschrift in meiner ersten Stunde. Ein Thema, dass hier für jeden einzelnen interessant ist, ganz egal in welcher Stufe, welches Alter. Durch die Auswirkungen der Pandemie und den während meiner Zeit immer noch fortlaufenden Online-Unterricht fehlt es an Grundlagen.
Ich bekomme in einem interessanten Gespräch mit, dass die staatlichen Schulen in Ecuador oft nicht ausreichend Geld bekommen und dementsprechend auch die Qualität des Unterrichts darunter leidet. Texte müssen jedes mal abgeschrieben werden bevor die Aufgabe bearbeitet wird. Außerdem gibt es zur Zeit des Online-Unterrichts ausschließlich eine Bewertung für die Darstellung. Resultat dieser ineffizienten Lernmethoden ist oft, dass die Schüler überhaupt nichts von dem eigentlich Bearbeiteten mitnehmen.
Die Schüler sind neugierig, wissbegierig, wollen ihre Träume verwirklichen und ich möchte sie über diesen Weg dabei unterstützen. In diesem Sinn trägt man Verantwortung, Basiswissen auf einer Sprache vermitteln zu können, bei der es mir selbst noch zwei Wochen zuvor an den einfachsten Grundlagen gefehlt hat.
Der Fortschritt ist nicht so schnell, wie ich es gewünscht hatte, aber entscheidend ist in diesem Sinn vor allem auch, dass der Unterricht meistens außerordentlich amüsant war. Viel wichtiger ist mir Freude, Motivation, eine gewisse Herangehensweise und die Möglichkeiten, die sich durch die Englische Sprache ergeben, zu vermitteln.
Zudem war es meine Aufgabe, einmal in der Woche drei Unterrichtstunden in Casa Quemada zu halten. Es ist eine besondere Stimmung. Die Kälte, die glücklich zufriedenen Kinder und eine außergewöhnliche Mischung zwischen großem Respekt und kindlicher Energie. Einige freuen sich auf den Unterricht, andere ihre Freunde sehen zu können. Die Schwierigkeit liegt hierbei schon in der Vorbereitung, da einige der Schüler hier schon einfachste Zusammenhänge nicht verstehen können. Man muss hier auch mit Humor nehmen, wenn einige Schüler eine gute Stunde zu spät kommen oder die erste halbe Stunde ohne Stift und Papier verbringen.
Des Weiteren darf ich Alexita bei der Zubereitung von den Mahlzeiten helfen. Außerdem wird viel repariert, gebaut, renoviert und gespielt. Bei der Versorgung der Tiere oder Arbeiten auf dem Feld helfen alle zusammen. Es ist hier eine Selbstverständlichkeit, dass jeder bestmöglich und meistens mit großer Freude unterstützt.
Man darf hier dazulernen, bekommt Einblicke in vielfältigste Bereiche. Letztendlich wurde ich selbst jeden Tag von den Menschen hier unterrichtet. Durfte von dem simplen Schälen einer Kartoffel bis zum Reiten auf einem Pferd in unterschiedlichsten Bereichen Wissen sammeln.
Aufeinmal steht man also da, vor einer Gruppe die einem wichtig geworden ist, einer Gruppe von Freunden.
Meine Zeit hier war nicht nur geprägt von Herausforderungen, sondern letztlich wurde ich auch von diesen Herausforderungen geprägt. Für alle diese Erfahrungen bin ich dankbar.
Interview und Übersetzung: Charlotte Wohlgemuth
*Name geändert
Wie alt bist Du
18
Wo wohnt Deine Familie?
La Maná
Wie lange lebst du schon im Projekt Chaka Wasi?
Ich wohne seit 2017 im Projekt und habe bereits im Juli 2021 die Schule abgeschlossen. Ich wohne aber immer noch im Projekt, da ich in einigen Tagen die Aufnahmeprüfung für die Universität mache, um mich fürs Medizinstudium zu bewerben. Ich werde also noch ein wenig länger im Projekt wohnen.
Aufgrund der Coronavirus-Pandemie waren die Schule und das Projekt lange Zeit geschlossen. Seit Oktober wohnen alle Jugendlichen wieder im Projekt und gehen normal zur Schule. Wie lange warst du insgesamt zu Hause und wie geht es dir jetzt?
Es war eine sehr schwierige Zeit für mich. Die Pandemie hat uns gelehrt, wertzuschätzen, was man im Leben hat. Ich persönlich war nicht oft zuhause, da ich da kein Internet hatte. So durfte ich zeitweise im Projekt bleiben, obwohl dies geschlossen war. Die Mitarbeiter waren ja trotzdem da und so konnte ich hier meine Schulsachen erledigen, erhielt Essen und Unterstützung und durfte das Internet und Telefon nutzen.
Gab es Zeiten, in denen du das Zentrum vermisst hast? Warum?
Ja sehr. Das Projekt ist sehr wichtig für mich. Ich lerne viele Dinge. Außerdem habe ich in der Zeit zuhause die Gemeinschaft mit den anderen und auch Rocio und Alexandra (eine Erzieherin; Anmerkung der Redaktion) vermisst.
Wie war es für dich von zu Hause aus zu lernen?
Es war sehr kompliziert, da der Unterricht ganz anders war. Außerdem hatte ich ja kein Internet. Zuhause musste ich darum meinen Cousin oder Nachbarn bitten. Aber trotz allem habe ich gekämpft und mit der Hilfe meiner Eltern und des Projekts meinen Schulabschluss gemacht.
Welche Unterstützung hast du erhalten?
Ich habe viel Unterstützung für die Schule erhalten, außerdem die Schuluniform, Versorgung und alle Utensilien. Mir wurde beim Lernen geholfen und dabei, als Persönlichkeit zu wachsen.
Was waren für dich die Vor- und Nachteile des Lernens von zu Hause aus?
Der Vorteil war, dass ich bei meiner Familie sein konnte. Nachteil war, dass ich nicht viel beim virtuellen Unterricht gelernt habe, da ich ja gar kein oder nur schlechtes Internet hatte. Außerdem haben wir die Lehrer nicht gut verstanden. Manchmal konnte ich auch nicht am Unterricht teilnehmen, da ich meinen Eltern geholfen habe.
Hast du während der Zeit zu Hause etwas für dich selbst gelernt?
Ja, viel. Wertzuschätzen, was man hat und Dinge zu tun, die man vorher noch nicht gemacht hat. Ich möchte allen danken, die dies möglich gemacht haben.